Mein schönstes Hörerlebnis v. Andrea Muschalek

seit Mitte 2016 bin ich bilateral mit CI versorgt und ich bin sehr froh über meine beiden implantierten Hörhelfer.  Ich  habe mit denen viele schöne Hörmomente erleben dürfen.

Von meinem ersten Lebensjahr an bin ich auf beiden Ohren  sehr hochgradig schwerhörig. Naja, die tiefen Töne habe ich noch einigermaßen gut gehört. Mit fünf Jahren, vorher hat man meine Schwerhörigkeit nicht erkannt, bekam ich mein erstes Hörgerät. Aber erst nur eins und zwei Otoplastiken, damit ich jeden Tag meine Ohren abwechselnd mit dem einen Hörgerät beschalle. Einen Tag  das rechte, am anderen Tag das linke Ohr. 
 
Laut Erzählung meiner Mutter, habe ich das  konsequent durchgezogen habe. Sie erzählte mir auch, wie ich das nicht versorgte Ohr trotzdem mittrainiert habe, indem ich mir die Geräusche eine Weile mit dem an dem Tag versorgten Ohr anhörte. Dann hielt ich das nicht versorgte Ohr solange zu der entsprechenden Hörquelle hin, bis ich das Geräusch dann auch gehört habe. Und das eisern!
Irgendwann bekam ich natürlich ein zweites Hörgerät. Beide Hörgeräte waren mein „Ein und Alles“. Ohne die war ich eine halber Mensch.

Da mir das Hören sehr wichtig war, habe ich auf Grund des Trainings und trotz des hohen Hörverlustes mit den Hörgeräten doch relativ gut Sprache verstehen können. Doch ohne das Mundbild ging es nicht. Aber undeutliches Mundbild, Sprechstimme zu leise oder zu laut oder Dialekte erschwerten das Verstehen. Und wenn dann noch Nebengeräusche dabei waren, dann wurde es noch schwieriger.

Das Mundbild absehen ist eine wichtige Hörtaktik, die ich mir als Kleinkind schon angeeignet habe. Wichtig ist dafür, dass die Lichtverhältnisse stimmen, der Gesprächspartner musste so zu mir sprechen, das sein Mundbild weder im Schatten lag, noch geblendet wurde. Wichtig war es auch,  dass der Abstand beim Gespräch zwischen meinem Gesprächspartner und mir zueinander nicht so groß ist.

Wenn diese Hörtaktiken eingehalten wurden, dann bin ich gut zurechtgekommen. In Gruppen mit mehr als sechs Personen war eine erhöhte Konzentration erforderlich, was mit der Zeit sehr anstrengend wurde. Um weiter mich an den Gesprächen zu beteiligen, verspannte ich mich immer mehr am  Kopf, Hals, Nacken und Schulter. Bloß nicht mehr bewegen und meine Augen fixierten sich noch auf das Mundbild. Mittlerweile habe ich gelernt, seitlich vom Mund des Sprechers abzulesen. Mir war es zu blöd, die Leute immer wieder daran zu erinnern, dass sie mich anschauen sollen.
  
Theater und Kabarett waren auf Grund der wechselnden Bewegungen des Körpers und somit auch des Gesichtes der Schauspielers auf der Bühne für mich sehr schwierig zu verfolgen.

Im Laufe der Jahre wurden Gespräche im Alltag und Vorträge zu verfolgen mit den Hörgeräten immer anstrengender. Meine Konzentration baute schneller ab und  ich war schneller erschöpft bzw. ich schaltete oft ab.

Dies sollte mit einem CI einfacher werden und auch noch viel besser Sprache verstehen, als ich mich in einer Klinik vorgestellt habe. Der Arzt hat mir sogar an meine vorhandenen Audiogramm gezeigt, wie gut ich seiner Meinung nach hören würde. Eine waagerechte Linie bei 20 dB. Glaubt mir, ich habe ihm in Gedanken einen Vogel gezeigt. An seiner Meinung habe ich echt gezweifelt. Es war für mich als Langzeithörgeschädigte unvorstellbar so gut hören zu können. Trotz Zweifel und doch voller Hoffnung habe ich zu einer CI Operation zugestimmt. 

Anfang 2015 bekam ich mein erstes CI. Natürlich waren meine Erwartungen hoch, aber zweifelhaft immer noch gedämpft. Wunder erwarten darf man ja nicht und schon gar nicht in ersten Tagen, Wochen oder sogar nach ein paar Monaten. In den ersten Monaten gab es  schon viele kleine Hörmomente, die mich schon überraschten, was ich schon mehr hörte, die habe ich auch erwarte.
Ich wollte mehr und habe ja auch ehrgeizig trainiert, jeden Tag mindestens drei Stunden, meist mehr. Und ich freute mich über jedes „große“ positive Hörerlebnis. Warum nicht die kleinen? Die habe ich ja wegen zu großem Ehrgeiz kaum zu Kenntnis genommen. 

Mein erstes großes Hörerlebnis kam und hat mich komplett überwältigt. Es war neun Monate nach meiner Erstanpassung mit meinem ersten CI. Ein Hörmoment, dem ich für mich den Namen gab: „Mein erstes Hörwunder“. 

Ich bin mit meiner Familie an Heiligabend am Abend in die Christmette gegangen. Ich hoffte, dass wir vorne noch einen Platz bekommen würden, denn wir waren schon spät dran. Dem war es leider nicht so, wir bekamen nur noch hinten Plätze. „Das wird aber schwierig werden mit Mundabsehen.“, dachte ich mir und war schon angespannt.

Die Messe begann. Die Eröffnung  einer Messe ist mir ja bestens bekannt, wusste ich war kam, muss man nicht unbedingt genau zuhören.  Die erste Lesung wurde gelesen, danach die zweite Lesung. Ich  versuchte lauschen und merkte, wie ich mich mehr entspannte. Die Lieder dazwischen lockerten mich weiterhin auf. Das Evangelium wurde gelesen und die Predigt begann. Ich saß  weit hinten, konnte nicht die Lippen des Pastors sehen und ich verstand die Worte der wirklich guten Predigt. Ich  war auf einmal ganz entspannt und auf einmal war ich so verdattert, ich konnte es kaum glauben. Ich habe mit einem CI alles verstanden. Plötzlich war so ergriffen, dass sich am Ende der Predigt die Schleusen öffneten.  Die Tränen liefen und liefen und liefen, bis zum Ende der Messe durch. Und sie liefen noch mehr als die Messe mit Lied“ Stille Nacht, Heilige Nacht …“ endete. Meine Schwester, die neben mir saß, wusste nicht warum ich weinte, hat mich trotzdem in ihre Arme genommen.
Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass ich das mal erleben durfte. Meine Zweifel über die positive Aussage des Arztes wurden beseitigt.
 
Es ist möglich mit dem CI viel mehr zu verstehen.

Ich werde dieses Wunder „einfaches entspanntes Hören ohne Gebrauch meines wichtigsten Werkzeug“ immer in meinem Herzen aufbewahren. 

Wenn mich heute jemand fragt, welcher Moment mit dem CI für mich der schönste war, dann taucht für mich dieses Hörwunder sofort in meinem Kopf auf. Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich dran denke, dass sogar mir die Tränen wieder in die Augen treten.

Zum Abschluss möchte ich noch sagen: Ich bin dankbar gegenüber all den Wissenschaftlern, die das Cochlea Implantat  entwickelt haben, den Ärzten, die die filigranen OPs durchführen und den Technikern, die die Anpassungen mit einer Engelsgeduld  durchführen.

Und ich bin dankbar, dass ich es zu meinen Lebzeiten dies noch erleben darf.

Aber eins möchte ich noch sagen, vergesst niemals die kleinen positiven Hörmomente. Das habe ich mit dem zweiten CI lernen müssen, mit dem ich nicht so einen großen und raschen Erfolg  hatte wie mit dem ersten CI. Aber das ist eine andere Geschichte. Vielleicht erzähle ich die mal.

In diesem Sinne noch eine besinnliche Weihnachtszeit ohne Hörstress!